Halle mit begrünten Dächern wurde 1993 eröffnet
Für Inken Baller war der Besuch in Kassel ein ganz besonderes Wiedersehen. Kurz nach ihrem 82. Geburtstag war die in Berlin lebende Architektin bei HÜBNER zu Gast und blickte auf ein außergewöhnliches Werk ihrer Karriere: auf die Halle 1 des Werks 2 mit ihren zeltartig gefalteten und begrünten Dächern, die 1993 eröffnet worden war.
Mit Eigentümer Reinhard Hübner tauschte sie die eine oder andere Erinnerung aus an die Zeit als diese besondere Werkshalle entstand. „Ende der 1980er-Jahre war die Ideen nachhaltiger Bauten längst noch nicht weit verbreitet wie heute“, berichtete Reinhard Hübner. „Dass wir als Unternehmen mit unserem Werk 2 schon damals diese ökologischen Ideen aufgegriffen haben, war eine wegweisend Entscheidung. Von diesem Vorzeigebau, den Inken Baller seinerzeit geschaffen hat, profitiert unser Unternehmen mit seinen Mitarbeiterinen und Mitarbeitern bis heute.“
„Eine sehr spannende Herausforderung“
„Das war eine sehr spannende Herausforderung“, sagte Architektin Inken Baller rückblickend. Denn bekannt und geschätzt war sie bis dahin für innovative Wohngebäude, die im engen Rahmen des sozialen Wohnungsbaus in Berlin mit ungewöhnlichen Grundrisslösungen, räumlicher Durchlässigkeit und Offenheit überraschten. Die Halle 1 war ihr erstes und einziges Industriegebäude, das sie gebaut hat.
Den Auftrag, eine Produktionshalle für das seinerzeit neue HÜBNER-Werk in Kassel-Waldau zu entwerfen, hatte sie damals erhalten auf Empfehlung von Prof. Dr. Margrit Kennedy, der Schwester von Reinhard Hübner. Von 1989 bis 1996 war Inken Baller ordentliche Professorin an der Gesamthochschule Kassel. Dort hatte Prof. Dr. Margrit Kennedy hatte Ende der 1980er-Jahre eine Gastprofessur für Stadtökologie. 1991 wurde sie als Professorin an den Fachbereich Architektur der Universität Hannover berufen und leitete dort bis 2002 die Abteilung „Technischer Ausbau und Ressourcensparendes Bauen“.
Ökologie und Nachhaltigkeit
„Von Anfang an war klar, dass Ökologie und Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Eine weitere Anforderung war ein offener Grundriss, denn damals war die Entwicklung des Unternehmens noch unklar“, erinnerte sich Inken Baller. „Mir stellte sich die Frage, wie sich eine 100 mal 100 Meter große Masse strukturieren lässt. Mir kam dann schnell der Gedanke, das Gebäude in 30 mal 30 Meter große Kompartiments einzuteilen.“
Viel Raum mit wenig Stützen, der nachwachsende Rohstoff Holz als Tragwerk des Dachs und begrünte Lichthöfe an den Schnittpunkten der Kompartiments waren weitere wichtige Ideen des Entwurfs. „Außerdem sollte es viel Tageslicht in der Halle geben. Darauf ist die Neigung des Gründachs abgestimmt“, berichtet Inken Baller. Die Pavillonstruktur des Dachs sei von den Faltenbälgen inspiriert, die bis heute in der Halle produziert werden.
Helle und luftige Halle eher untypisch für 1990er Jahre
Thomas Linke, Entwicklungsleiter Faltenbälge, gab Inken Baller Einblicke in die Produktion bei HÜBNER. Gemeinsam mit Timo Eckelsbach, Leiter Technik, Zentrales Gebäude- und Dienstleistungsmanagement bei HÜBNER, führte er die Architektin mit einer Gruppe Studierender durch und auf die Halle 1. Eckelsbach und Linke lobten die helle und luftige Halle, deren Charakter für Produktionshallen der 1990er-Jahre eher untypisch war. „Das Klima ist deutlich angenehmer als in klassischen Industriegebäuden“, erläuterte Thomas Linke. „Das melden uns auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück.“
Über diese positive Resonanz freute sich Inken Baller sehr: „Ich habe das Gebäude noch nie in Betrieb erlebt. Die Entwicklung des Unternehmens ist ebenso toll wie die Tatsache, dass die Halle heute immer noch funktioniert.“
Ausstellung an der Kunsthochschule Kassel
Anlass ihres Besuchs bei HÜBNER war, dass sie bei der Ausstellung „VISITING Inken Baller & Hinrich Baller, Berlin 1966–89” an der Kunsthochschule Kassel zu Gast war. Zu sehen sind dort Fotos von 26 Gebäuden, die das Duo entworfen hat. Für ihr gemeinsames Werk haben Inken Baller und Hinrich Baller 2023 den Großen Preis des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten erhalten.
Die Ausstellung ist noch bis zum 18. Juni 2024, dienstags bis sonntags von 15 bis 19 Uhr in der Ausstellungshalle der Kunsthochschule Kassel, Menzelstraße 13, zu sehen.
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